Erfolgsgeschichte Nepal / Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Die Filzabteilung der Association for Craft Producers (ACP) in Kathmandu, Nepal, erfreut sich vieler Aufträge. Die Nachfrage nach grossen Produkten wie Decken steigt. Aus diesem Grund baten sie das SEC um eine Beratung zu neuen Filztechniken und insbesondere der Nutzung der Filzmaschine. Die SEC-Expertin Johanna Rösti reiste deshalb zum zweiten Mal nach Nepal, um mit den Produzentinnen dort weiterzuarbeiten, wo sie im letzten Einsatz aufhören mussten.

Das SEC möchte mit seinen Beratungseinsätzen KMU und Institutionen indirekt beim Wachsen unterstützen. Dabei sollen die Einsätze zwar kurz sein, aber wenn immer möglich (und notwendig) nach einer gewissen Zeit mit einem Folgeeinsatz die langfristige Entwicklung unterstützt werden. Ein ideales Beispiel hierfür ist die Association for Craft Producers (ACP) in Nepal. ACP liess sich erstmals 2003 von einer SEC-Expertin beraten. Nach zwei weiteren Einsätzen in kurzer Folge kontaktierte die Organisation das SEC nach einer längeren Pause 2017 und 2020 erneut. Von den verschiedenen Einsätzen profitierten vor allem jene Mitglieder der Organisation, die sich auf die Herstellung von Filzprodukten spezialisiert haben. Durch das Erlernen neuer Techniken konnten sie die Produktpalette vergrössern und effizienter arbeiten. Zudem profitierte die Organisation von den Kontakten der Expertin und konnte Hüte für einen Schweizer Kunden produzieren.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie erhielt die SEC-Expertin Johanna Rösti die Anfrage, die  Filzproduzentinnen von ACP ein zweites Mal zu beraten. Da sie Land und Kunde bereits von ihrem letzten Einsatz kannte, zögerte sie nicht und sagte zu. Nach ihrer Ankunft stellte sie erfreut fest, dass die neu erlernten Techniken vom letzten Einsatz umgesetzt und angewendet wurden. Allerdings kämpften die Produzentinnen mit technischen Schwierigkeiten wie auch mit Materialproblemen. Ausgerechnet, als sie die grosse Bestellung eines Kunden erfüllen wollten. Hier konnte Johanna Rösti sofort spezifisches Training bieten. So arbeitete sie zusammen mit den Produzentinnen die einzelnen Probleme ab, so dass die Bestellung am Ende erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

Die SEC-Expertin half unter anderem beim Testen neuer Materialien, designte eine Kollektion und erstellte ein effizienteres Produktionskonzept sowie detaillierte Produktionsbeschriebe zur Kollektion. Zudem trainierte sie auch Filzerinnen, die von zuhause arbeiteten, damit diese qualitativ gleichwertige Produkte herstellen konnten wie die Filzmaschine bei ACP. – Dies war im Nachhinein besonders wertvoll, da während der Pandemie nur von zuhause aus gearbeitet werden konnte.

Johanna Rösti traf sich aber auch mit Einkäufern. Dank diesem Austausch konnte sie deren Wünsche und Rückmeldungen in die Beratung einfliessen lassen.

Die Kundin:
ACP (The Association for Craft Producers) ist eine nepalesische Non-profit- und Fairtrade-Organisation, die Produzentinnen in über 20 Handwerkskünsten (darunter Filzen, Handweben, Glas und Keramik) umfasst. Sie wurde 1984 mit 38 Produzentinnen gegründet und bietet ihren heute rund 1’000 Mitgliedern aus dem Niedriglohnsektor Unterstützung in technischen Fragen, aber auch in den Bereichen Design, Marketing und Management. Die Organisation bietet den Mitgliedern die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und ihre Produkte weltweit zu vertreiben. Ausserdem erhalten sie einen fairen Lohn und profitieren von weiteren Vorteilen wie beispielsweise Ausbildungsgeldern für ihre Kinder.

Interview mit SEC-Expertin Johanna Rösti

Wie beurteilen Sie die Ergebnisse, die durch die Einsätze erzielt wurden?
Die Beratungen und Lerninputs vor Ort haben sehr zur Entwicklung des Fachwissens der involvierten Mitarbeitenden beigetragen. Meine Erfahrungen aus dem ersten Einsatz bei ACP konnte ich während des zweiten Einsatzes sehr gut nutzen und effizient die aktuellen Produktprobleme analysieren. Zusammen mit den reichen Erfahrungen, die die Mitarbeitenden seit meinem letzten Einsatz gemacht hatten, konnten wir die anstehenden Probleme lösen und zusammen an der Produktweiterentwicklung arbeiten. ACP war sehr offen, interessiert und unterstützend.

Was hat Sie in diesem Beratungseinsatz am meisten beeindruckt?
Die Offenheit und Unterstützung für die Produktweiterentwicklung von Seiten der Verantwortlichen von ACP und das Engagement der Filzerinnen beim Umsetzen hat viel Freude bereitet. Zusammen konnten wir schöne Kollektions- und Produktionsgrundlagen entwickeln. Auch den Mitarbeitenden hat das viel Spass gemacht.

Sehr beeindruckt hat mich die Herzlichkeit “meiner” Filzerinnen und der ACP-Mitarbeitenden. Dieser zweite Einsatz war ein bisschen wie “nach Hause kommen”. Das war wichtig, denn die Unsicherheit über die nationalen und internationalen Massnahmen in der sich anbahnenden Corona-Pandemie war sehr gross. Mit dieser Vertrautheit mit Menschen vor Ort und dem Wissen, Swisscontact verantwortungsvoll im Rücken zu haben, konnte ich mich voll auf den Einsatz konzentrieren.

Was hat Sie überrascht resp. was hat nicht so funktioniert wie erwartet?
Von meinem ersten Einsatz her war ich mit der Arbeitskultur bei ACP etwas vertraut und weniger überrascht als beim ersten Mal. Hilfreich wäre gewesen, von Beginn weg eine Assistenzperson in der Gruppe zu haben, um sprachlich zu übersetzen und schriftlich zu dokumentieren.

Das zusätzliche Filzhut-Projekt ist weniger gut vorangekommen als angenommen, da hierfür wenig personelle Ressourcen zur Verfügung standen. In der qualitativen Hutherstellung besteht meines Erachtens noch ein unausgeschöpftes Potenzial.

Wo sind Sie mit dieser Art der Beratung an Grenzen gestossen?
Dieser dreiwöchige Einsatz war für alle sehr intensiv, denn es sollte wesentliches Know-how in relativ kurzer Zeit vermittelt und in der Praxis verankert werden.

Wünschenswert wäre, wenn das Inhouse-Filzteam mit jüngeren Mitarbeitenden verstärkt würde, damit einerseits die interne Erfahrung weitergeführt werden kann und andererseits die älteren, langjährigen Mitarbeitenden beim physisch doch anstrengenden Filzen tatkräftig unterstützt werden könnten.

Hatten Sie nach Beendigung des Auftrags weiterhin Kontakt mit der Kundin? Mit welcher Art von Unterstützung?
Ich versuchte per E-Mail und Whatsapp in Kontakt zu bleiben, auch wegen des Hutprojekts, was während dieser Pandemiemonate recht heraufordernd war. Swisscontact vor Ort hat auch unterstützend dazu beigetragen.

Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf die Kundin?
Eine Woche nach meiner Abreise musste ACP die Tore für eine längere Zeit schliessen. Die Massnahmen waren eine drastische Einschränkung. Import von notwendigem Produktionsmaterial und der Export von Produkten wurden quasi verunmöglicht. ACP machte einen Spendenaufruf. Aus einem Newsletter ging hervor, dass ACP ihren Mitarbeitenden während der Schliessung wenigstens 50 % des Gehalts hatte ausbezahlen können.

Konnte ACP – nah Abflachen der Pandemie – die Hutbestellung erfüllen? Ergab sich hier ein längerfristiger Kunde?
Die Schweizer Firma mit Interesse an den Filzhüten hätte gerne mehr Hüte gehabt, als ich mit meinem Reisegepäck mitnehmen konnte. Mit ACP war abgemacht gewesen, dass die restliche Wolle, die ich mitgebracht hatte, zu Hüten mit definierten Grössen hätte gefilzt und in die Schweiz geschickt werden sollen. Das hat leider bis heute nicht stattgefunden, aus mir nicht bekannten Gründen. Ob die Person, die mit dem Filzen dieser Hüte vertraut gewesen war, nach der Pandemie noch bei ACP ist, weiss ich nicht. Unbekannt ist mir auch, was mit den bereits fertig gestellten Hüten und dem gelieferten Material für die noch zu filzenden Hüte geschehen ist.

Wünschenswert wäre schon, wenn dieses Pilotprojekt weitergeführt werden könnte. Doch möglicherweise braucht es dazu einen neuen Input via Fernberatung oder Einsatz vor Ort.